Von der Online-Welt in die Offline-Welt: Individuelle Preisgestaltung

Erinnern Sie sich noch an die bunt-muntere Unterhaltungsshow aus den Neunzigern, bei der es darum ging, den Handelspreis der gezeigten Haushaltsprodukte durch die teilnehmenden Kandidaten möglichst genau zu schätzen?

Der Preis ist heiß! – Diese Aussage könnte bald zum allgemeinen Motto unseres wöchentlichen Familieneinkaufs werden, experimentiert doch der deutsche Einzelhandel immer stärker mit dem System der „dynamischen Preisbildung“. Morgens kostet die Butter mehr als am Nachmittag, gesteuert über elektronische Preisschilder. Angebot und Nachfrage bestimmen das Geschäft. Der Getränkeautomat regelt das Preissystem für die Cola-Büchse nach Außentemperatur. Das individuelle Einkaufsverhalten wird per Kundenkarte analysiert. Menschen, die oft zu Markenartikeln greifen, erhalten weniger Rabatte auf das Markenprodukt als jene, die tendenziell zu Billigprodukten greifen, um auch diese Klientel zum Kauf des margenträchtigen Teuerprodukts zu verleiten. So wird das Kaufpotential zahlungskräftiger, aber auch weniger solventer Menschen maximal ausgeschöpft.

Internet-Einzelhandelsriesen wie Amazon & Co. machen es seit Jahren vor. Preisveränderungen von bis zu 20 Mal pro Tag für das gleiche Produkt sind keine Seltenheit. Nun sollen die gleichen Mechanismen auch auf das sogenannte Offline-Geschäft übergreifen. Moderne Technologien und riesige vorhandene Datensätze von spezialisierten Dienstleistern über Lagerbestände, Konkurrenzpreise, Produktkategorien und anderes machen es möglich.

Sie glauben, das ist noch alles Fiktion? In Frankreich sind elektronische Preisschilder bereits fast in jedem größeren Supermarkt zu finden. Erste Lebensmitteleinzelhändler wie Kaufland und Netto, aber auch der Elektroriese Media Markt experimentieren gerade in Deutschland mit den vorhandenen digitalen Möglichkeiten.

Interessant ist der in der FAZ-Online-Ausgabe vom 8.4.15 erschienene Artikel Jeder kriegt einen eigenen Preis

Aber eines ist doch auch beruhigend: In der Energiewirtschaft, insbesondere im Großhandel und im Sonderkundengeschäft, sind wir dynamische Preisstellungen doch schon lange gewohnt. Die Analyse von Preisvolatilitäten gehört nahezu zum Tagesgeschäft im Stromvertrieb.

Markus Rösmann & Burkhard Hergenhan

 

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